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Steffen Reiser über Milchmädchenrechnungen, Blauäugigkeiten, Träume und
„Uns ist eine ganz schwere Entscheidung abgenommen worden!“
15.03.2007 - 23:22 - Vereine - ERV Schweinfurt - veröffentlicht von Norman Flaake - Verfasser: Michael Horling
 
Schweinfurt. Peißenberg noch als Gegner - dann beenden die Mighty Dogs ihre
erste Saison in der Eishockey-Bayernliga als Dritter oder Vierter. Beste Zeit
für eine kleine Bilanz kurz vor Schluss einer ziemlich genialen Saison und
Gelegenheit auch, um den spielenden Abteilungsleiter Steffen Reiser ein paar
Fragen in Richtung Zukunft zu stellen.
Frage: Ganz ehrlich: Seid ihr auch ein bisschen froh, dass ihr Euch mit dem
Thema Oberliga nun nicht beschäftigen müsst?
Steffen Reiser: Sicherlich ist einem so eine ganz schwere Entscheidung
abgenommen worden. Ich glaube auch, dass wir in den letzten zwei Jahren eine
unglaubliche Entwicklung mit unserer Jungen Mannschaft durchgemacht haben. Doch
der Schritt in die Oberliga wäre für viele junge Spieler noch zu groß und somit
ein großer Teil an guter Aufbauarbeit zunichte. Zudem ist unser Konzept
sowohl sportlich als auch wirtschaftlich nachhaltig ausgelegt. Und im Moment sind
unsere wirtschaftlichen Strukturen einfach noch nicht weit genug gediegen,
so dass ein Schritt in eine Oberliga, von der ja auch noch keiner so genau
weiß, wer, wie, wo darin spielt, kein besonders gutes Chancen/Risiko -
Verhältnis geboten hätte.
Frage: Wäre es im Falle eines Finaleinzugs überhaupt gegenüber den Fans zu
verantworten gewesen, auf einen Aufstieg zu verzichten?
Reiser: Als Sportler sag ich: nein, als Kaufmann sage ich: ist es die
Pflicht, den Fans langfristig gutes attraktives Eishockey mit einer hohen
Identifikation, bei soliden Finanzen zu bieten. Und dafür muss man auch bereit sein,
gegebenenfalls unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Außerdem würde sich die
Frage erst gar nicht stellen, wenn es in der Oberliga endlich eine solide und
langfristig ausgelegte Struktur gäbe und es in der jüngsten Vergangenheit
nicht zu viele Negativ-Erfahrungen mit der ESBG gegeben hätte. Der BEV mit
seiner Geradlinigkeit macht doch seit Jahren vor, dass dies der richtige Weg ist.
Aber man muss auch sagen, dass die ESBG inzwischen in die richtige Richtung
denkt.
Frage: Was spricht momentan definitiv noch gegen die Oberliga?
Reiser: Die Selbstverwaltung der ESBG durch die Teams war zu blauäugig
gedacht, dadurch gab es zu viele faule Kompromisse. Diese Struktur wurde zum Glück
inzwischen etwas korrigiert. Zudem ist es die fehlende Konstanz und dadurch
fehlende Planungssicherheit, aber wie erwähnt versucht man neuerdings diese
zu erreichen. Weitere Gründe sind unsere internen Strukturen, welche noch
nicht ganz Oberliga reif sind, sowie die jungen Spieler in unserem Team, welche
noch einen gewissen Reifeprozess benötigen, um den nächsten Schritt zu wagen.
Frage: Schmerzt es ein wenig, weil in der Oberliga nun gerade mal das
Play-off-Viertelfinale im Best-of-7-Modus startet? Und mit Teams wie Peiting,
Weiden, Hannover oder Ravensburg, die ihr in jüngster Vergangenheit alle schon
geschlagen habt?
Reiser: Nein, ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit schwelgt und
sich denkt: hätte, wenn und aber. Ich/wir schauen nach vorn.
Frage: Draußen ist Frühling, die Oberliga spielt bis maximal 22. April. Ein
Irrsinn und vielleicht doch ein Argument dagegen?
Reiser: Nein, warum denn? Im April kommt vielleicht nicht unbedingt das
typische Eishockeyfeeling bei den Fans auf, allerdings leben die Spiele ab
dieser Phase der Saison von Ihrer Spannung, da stört´s keinen, wenn draußen vor
dem Stadion schon die Vögel zwitschern. Wobei der Bogen der Übersättigung bei
über 25 bis 30 Heimspielen schon langsam überspannt wird.
Frage: Auch in der 2. Bundesliga starten die Play-offs: Bremerhaven,
München, Essen oder Regensburg sind dort dabei, ebenfalls einstige Rivalen, Essen
sogar mit Jari Pasanen, Chris Schadewaldt, Danny Albrecht und Lars Müller,
früheren Publikumslieblingen im Icedome. Nicht wenige Fans meinen, die Mighty
Dogs könnten durchaus längst ein bis zwei Etagen höher spielen...
Reiser: Das ist schon etwas blauäugig, denn die Spieler haben sich durch
Leistungssteigerungen dorthin hochgearbeitet und haben inzwischen einen ganz
anderen Marktwert als zu Schweinfurter Zeiten. Um ein bis zwei Etagen höher zu
spielen, muss das Gesamtbudget stimmen, da bringt es doch herzlich wenig zu
sagen: wenn doch alle Spieler die mal hier waren noch hier wären... Das ist
schon wieder so eine Vergangenheitsgeschichte, darüber kann man vielleicht nach
dem 20sten Bier mal am Tresen sinnieren, mehr aber auch nicht.
Frage: Was habt ihr Euch für das Spiel um Platz drei vorgenommen? Hat es
überhaupt noch eine Bedeutung?
Reiser: Klar gespielt wird immer, um zu gewinnen.
Frage: Peißenberg gewann in der Hauptrunde als einziger Gegner beide
Partien. An sich also eine unlösbare Aufgabe, zumal Euer Kader weiter dünn ist?
Reiser: In der aktuellen Situation muss man wohl zugestehen, dass Peißenberg
klarer Favorit ist.
Frage: Wer fällt denn alles aus, wer kehrt zurück?
Reiser: Außer der Rückkehr von Marcel Mrachatz ändert sich leider nichts.
Frage: Bei über 1000 Zuschauern im Schnitt müsste die Saison finanziell ja
mit einem deutlichen Gewinn enden?
Reiser: Gut gerechnet, allerdings stehen auch einige dringende Investitionen
an, wie in den VIP-Bereich, Kabinen usw.
Frage: Ist der finanzielle Spielraum größer, um die Mannschaft für nächste
Runde zu verstärken?
Reiser: Wie gesagt, es fließt einiges Geld in dringende Investitionen. Der
Rest wird sich erst zeigen, wenn wir denn neuen Etat aufstellen. Eine
Verstärkung der Mannschaft, soll bzw. kann sich vornehmlich aus der Entwicklung der
jungen Spieler ergeben. Es gibt ja keinen vernünftigen Grund unser Konzept
jetzt über den Haufen zu schmeißen und ohne Ende Fremdspieler zu verpflichten.
Frage: Hat der erneute Höhenflug die Chancen verstärkt, dass sich ein
Hauptsponsor für die in dieser Saison freie Brust findet?
Reiser: Brustsponsor hin oder her, was zählt ist die Summe der Sponsoren.
Und um die zu gewinnen, muss man langfristig, ehrlich und zielgerichtet
arbeiten. Sportliche Erfolge wie diese Saison sind, was die Sponsorengewinnung und
Bindung angeht, sicherlich nicht von Nachteil.
Frage: Passau und Deggendorf gehen wahrscheinlich hoch, aus der Oberliga
steigt niemand ab. Logische Schlussfolgerung: Zielsetzung für 2007/2008 lautet
Meisterschaft?
Reiser: Eine schöne Milchmädchen-Rechnung. Schließlich steigen starke Teams
in die Bayernliga auf, andere Teams werden nicht so hinter den Erwartungen
wie diese Saison zurückbleiben, usw. Wir werden uns in Ruhe die Zusammensetzung
der Liga, die der anderen Teams und die von uns vor Saisonbeginn anschauen
und dann ein entsprechendes Saisonziel definieren.
Frage: Mikhail „Nemo" Nemirovsky war nach seiner Suspendierung in
Crimmitschau zuletzt öfters mal im Icedome zu sehen. Ein Traum als Neuzugang?
Reiser: Ein Traum ist treffend formuliert, allerdings gehen Träume doch
sehr, sehr selten in Erfüllung.
Frage: Kann man schon ein bisschen spekulieren, wer denn bleiben und wer den
Verein verlassen wird?
Reiser: Zunächst werden wir in dieser Woche ein Gespräch mit Sergej
Waßmiller führen. Und erst dann machen wir uns Gedanken über das Team der kommenden
Saison. Außerdem sollen die Spieler die Möglichkeit haben, etwas Abstand zu
der abgelaufenen sehr Kraft zehrenden Saison zu bekommen.
Frage: Wer wird Meister? Passau oder Deggendorf?
Reiser: Ich denke, Passau wird im dritten Spiel als Sieger vom Eis gehen,
dann können wir nämlich sagen: Wir sind nach großem Kampf gegen den Meister
ausgeschieden....
 
 
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